Satellitenbahnberechnung

Grundlagen

©   DC9ZP 2003-2010

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

Kepler-Gesetze und Kepler-Elemente

Epoch time

Inklination

Ra of node

Argument des Perigäums

Mittlere Anomalie

Mean Motion

Umlaufzeit

Halbachsen

Decay rate

Umlauf Nr. /Rev Nr.

Bahnstörungen 

AO-40 Fluglage und Squint

Keplerelemente AMSAT/NORAD

Keplerelemente umwandeln

Flugbahnwinkel und Polarkoordinaten

Astronomie und Satelliten

Satelliten, Sonne und Mond

Satellitensoftware

Satellitenliteratur

Aktuelle Bahndaten AO-40

Funkbetrieb

 

Vorbemerkungen

Funkamateure sind wissensdurstige Menschen, die gerne hinter die Kulissen blicken. Da es wenig deutschsprachige Internetseiten gibt, die sich mit der Bahnberechnung befassen, veröffentliche ich an dieser Stelle einen Exkurs in die "Grundlagen der Satellitenbahnberechnung" mit den wichtigsten Formeln. Wer noch mehr wissen will, dem empfehle ich mein E-Buch "Amateurfunksatelliten, Übersicht, Berechnung und Software"

Schulen und andere Ausbildungseinrichtungen sind aufgerufen, von den  im Text enthaltenen Formeln und Algorithmen bei der Unterrichtung in Sachen Amateurfunk regen Gebrauch zu machen. Die  vorgestellten Programme oder Programmteile können im Unterricht entweder direkt verwertet werden oder als Anregung für die Programmierung eigener Satellitenbahnberechnungsroutinen dienen.

Soweit nicht anders angegeben, sind alle Werte für Winkelfunktionen in Grad einzusetzen. Da die meisten Programmiersprachen nur in RADIAN rechnen, können die nachfolgenden Umwandlungen benutzt werden. Sie sind für PASCAL gedacht, sind aber  mit wenigen Änderungen an alle herkömmlichen Hochsprachen leicht anzupassen. 

Es wird zunächst die Konstante k bestimmt mit

            k=57.29577951 oder k = 180.0/p

Dann ergibt sich :

                    Formelausdruck            =        Programmierausdruck in Grad

sin(x)  sin(x/k)
cos(x)  cos(x/k)
tan(x) sin(x/k)/cos(x/k)
arctan(x)  arctan(x)*k
arccos(x) -arctan(x/sqrt(-x*x+1))*k+90.0
arcsin(x)   arctan(x/sqrt(-x*x+1))*k

        

Winkel sollten vor der Berechnung auf jeweils 360° reduziert werden. Beispiel:

Grad = frac(x/360)*360  oder  Grad = x-(INT(x/360.0)*360.0);                           

In den von mir verwendeten Programmbeispielen ist die Umrechnung in Grad mit Hilfe einer entsprechenden Konstante bereits erfolgt; für die Reduzierung auf den Vollkreis sorgt eine Funktion.  

Hinweise zum Urheberrecht

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1.  Kepler-Gesetze und Kepler-Elemente

Grundlage für die Berechnung von Satellitenbahnen sind die von Johannes KEPLER (1571-1630) gefundenen Gesetze der Bewegung von Planeten um die Sonne. Wandelt man sie auf die Bahnen von Satelliten um die Erde ab, so kann man konstatieren :

Die Bahn jedes Satelliten ist eine Ellipse; die Erde befindet sich in einem der beiden Brennpunkte.

Die Verbindungslinie Erdmitte zum Satelliten, also der Radiusvektor, überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.

Das Quadrat der Umlaufzeit ist der dritten Potenz der großen Halbachse proportional.

1.1 Satelliten und Relativitätstheorie

Im  Zeitalter der Relativitätstheorie gibt es mittlerweile noch andere Modelle zur Berechnung der Bahnen von Himmelskörpern. Mit der Einsteinschen relativistischen Bewegungsgleichung kann man  Satellitenbahnen auch erklären. Das "Kepler-Problem" wird dabei vom "Schwarzschild-Problem" ersetzt. Wir wollen im Rahmen dieses Exkurses aber bei der Kepler-Theorie bleiben; sie ist handlicher und nachvollziehbarer. Sicher ist aber, dass künftige Generationen anders rechnen als wir.

1.2 Bahnstörungen

Da die Keplerschen Gesetze, und die später durch Newton eingebrachten Erweiterungen, streng genommen nur für den ungestörten Umlauf eines Planeten um eine homogene Sonne gelten (Zweikörperproblem), dieser Fall aber weder in unserem Sonnensystem und schon gar nicht für Satelliten beim Umlauf um die Erde zutrifft, müssen die störenden Einflüsse auf die Bahn berücksichtigt werden. Da es kein geschlossenes mathematisches Modell zur Bahnberechnung eines Satelliten gibt, berechnet man zunächst die Bahn so, wie sie ungestört in einem Zweikörperverhältnis verlaufen würde und berücksichtigt dann anschließend die Bahnanomalien im Rahmen der sogenannten " Störungsrechnung ". Ich gehe bei der Vorstellung der bahnbestimmenden Parameter auf die wichtigsten Perturbationen ein. Die speziellen  Bahnstörungen bei Satelliten auf hohen Ellipsen (Typ PHASE3-D) werden hier abgehandelt.

1.3 Bahnelemente

Zur Berechnung einer Satellitenbahn benötigt man mehrere, voneinander unabhängige Bahnelemente, die sogenannten " Kepler-Elemente" . Zur Ermittlung dieser grundlegenden Bahnparameter werden Teile der Satellitenflugbahn mit einem Radargerät (NORAD) vermessen, der Rest der Elemente wird mit dem Computer hochgerechnet. Andere Methoden arbeiten mit Messungen der Dopplerfrequenzverschiebung.

Für die Bahnbestimmung sind sechs dieser Bahnelemente notwendig. Die "klassischen" sind:

die Große Halbachse,

die Inklination,

die numerische Exzentrizität,

der Winkel des aufsteigenden Knotens zum Frühlingspunkt (RAAN),

das Argument des Perigäums und

die Epoche.

Wobei die Epoche entweder als Zeit des Perigäumsdurchganges angegeben wird, als Wahre Anomalie oder, wie in den Kepler-Elementsätzen der NORAD, durch Angabe der mittleren Anomalie (M) und einer Uhrzeit. Die Große Halbachse wird in den bekannten Keplerdatensätzen  nicht angegeben, dafür kann sie aber aus der Mean Motion berechnet werden. Einzelheiten dazu sind den folgenden Erklärungen sowie der Abb. 2. zu entnehmen.

Die Inklination (i), der RA of Node (RAAN) und das Argument des Perigäums (Ap) gehören zu den Kepler-Elementen die als Winkel festgelegt werden.

Die Epoch time - in Verbindung mit einer mittleren Anomalie- Mean Motion ( als Ersatz für a) und die Exzentrizität sind numerische Werte.  Während die Inklination zu den mehr unproblematischen Bahnwinkeln gehört, müssen beim RAAN und Ap säkulare Änderungen der Satellitenbahn berücksichtigt werden. Vor den dazu fälligen detaillierten Erläuterungen, zunächst ein Ausflug in die Welt der Kepler-Datensätze.

Die nachfolgende Tabelle zeigt einen typischen Kepler-Elementsatz im standardisierten AMSAT-Format. Diese Keplerdatensätze werden so z.B. über Packet-Radio oder im Internet verbreitet. Die eigentlichen Kepler-Elemente sind im Beispiel mit 1-6 durchnummeriert. Wie man sieht, gehören Epoche und Mittlere Anomalie sowie Mean Motion und Decay rate zusammen. Die anderen Angaben sind für die Satellitenbahnberechnung ohne Belang. Die Keplerdatensätze gibt es außerdem auch noch im NORAD-2LINE Format, Einzelheiten sind hier und der Abb. 8.1  zu entnehmen.

 

2. Die Epoch time

Als Epoche wird in der Astronomie ein nach Datum und Uhrzeit festgelegter Zeitpunkt für eine bestimmte Stellung des Himmelskörpers auf seiner Bahn verstanden. Dazu wird z.B. Datum und Uhrzeit eines Perigäumsdurchgangs = Mittlere Anomalie 0° angegeben. Bei den Kepler-Elementsätzen der NORAD/NASA wird dieser Weg wie folgt beschritten:

Die angegebene Epoch time ist  der Zeitpunkt auf den sich die übrigen Kepler-Elemente beziehen, sie wird in den Keplerdatensätzen in Jahr, lfd. Tag des Jahres und in Uhrzeit (UTC) angegeben. In Verbindung mit der Mittleren Anomalie des Satzes lässt sich dann die Stellung des Satelliten zur angegebenen Epoche berechnen.

Das konkrete Problem besteht bei einer Satellitenbahnberechnung darin, die Kepler-Elemente des Datensatzes, ausgehend von der Epoch time, auf eine neue Epoche (Tag, Monat, Jahr, UTC) unter Berücksichtigung der säkularen Bahnstörungen umzurechnen, um anschließend die jeweils aktuellen Polarkoordinaten des Satelliten zu ermitteln. Dazu muss zwischen Epoch time des Keplersatzes und dem neuen Datum u.a. die Differenz in Tagen gebildet werden. Das bedingt u.a. die Umwandlung des gewünschten Datums in einen numerischen Wert, denn nur so kann man damit rechnen. In den  nachfolgenden Beispielprogrammen und im Abschnitt astronomischer Kalender gibt es  Algorithmen, die dies leisten. Die Bedeutung der Zeit für die Satellitenbahnberechnung ist im Abschnitt "Astronomie und Satelliten" erläutert.

Das Format der Epoch time enthält in den ersten beiden Stellen das Jahr, in den Stellen 3-5 den laufenden Tag des Jahres, die Nachkommastellen drücken den Bruchteil des Tages aus. Abb. 3. zeigt die Umsetzung der Epoch time unseres Keplerdatensatzes in Jahr, Monat, Tag und Uhrzeit (UTC).

3. Die Inklination

Das Keplerelement Inklination – Formelzeichen i – ist der Winkel der Bahnebene des Satelliten zur Äquatorebene der Erde. Beträgt die Inklination 0°, so handelt es sich um eine äquatoriale Bahn, bei i = 90° verläuft die Bahn über die Pole. Orbits mit Inklinationen über 90° bezeichnet man als retrograde Bahnen, weil der Satellit - verglichen mit kleineren Inklinationen - aus der anderen Richtung kommt. Insgesamt kann die i Werte von 0 ° bis 180° (retrograde Äquatorialbahn) annehmen.

3.1 Bestimmung

Abbildung 4 zeigt zwei Möglichkeiten der Bestimmung der Inklination: einmal als Winkel von der Äquatorebene zur Bahnebene - oder als Winkel von der Erdachse zur Senkrechten auf der Bahnebene gemessen.

 

In unserem Keplerdatensatz beträgt die Inklination ca. 27 Grad. AO-10 bewegt sich damit auf seiner Bahn vom 27. Breitengrad NORD bis zum 27. Breitengrad SÜD. Wie bereits festgestellt, ist die i ein unproblematischer Winkel. Es gibt zwar Bahnstörungen, diese gleichen sich im Laufe eines Orbits jedoch aus, die Inklination selbst bleibt bei den meisten Satelliten über lange Zeiträume konstant. Andere Verhältnisse ergeben sich allerdings bei Satelliten, die weit in den Weltraum hineinstoßen (AO-40) ich gehe hier speziell darauf ein.

4. RA of Node

Der " R ight A scension of A scending N ode", kurz RAAN - Formelzeichen W - ist der Winkel des aufsteigenden Knotens der Satellitenbahn zum Frühlingspunkt des astronomischen Koordinatensystems, somit also die Schnittstelle zum Bezugssystem der Astronomie. Der Frühlingspunkt ist ein imaginärer Punkt der zur Zeit am Westrand des Sternbildes Fische liegt, er ist definiert als der Punkt an dem die Sonne zu Frühlingsbeginn den Himmelsäquator nach Norden überschreitet.

 

Die Fixierung der Satellitenbahn durch den RAAN ist leider nicht raumfest. Ursache ist die inhomogene Masseverteilung auf und in der Erdkugel. Im Bereich des Äquators hat die Erde einen Wulst, an den Polen ist sie abgeplattet, dadurch wirken auf einen Satelliten im Verlauf eines Orbits unterschiedliche Gravitationskräfte ein. Diese haben zur Folge, dass die Satellitenbahn präzessiert , d.h. der aufsteigende Knoten (EQX), verlagert sich bei jedem Umlauf des Satelliten um einen bestimmten Betrag und damit ändert sich der RAAN.

4.1 Die Präzession

Mit dem Phänomen der Präzession haben die meisten von uns bereits im Kindesalter Berührung gehabt; zumindest diejenigen, die als Kind mit einem Kreisel gespielt haben. Berührt man einen laufenden Kreisel mit dem Finger, um ihn in eine bestimmte Richtung zu stoßen, dann stellt man fest, dass der Kreisel nicht in Stoßrichtung der angesetzten Kraft ausweicht, sondern in einem Winkel von 90°.

Sieht man den umlaufenden Satelliten als Kreisel an, auf den in Flugrichtung durch die unterschiedlichen Anziehungskräfte der Erde Beschleunigungs- und Verzögerungskräfte wirken, so versteht man, dass die gesamte Bahn des Satelliten dadurch in kleinen Schritten um die Erde herumruckt.

4.2 Berechnung der täglichen Änderung

Berechnet man die Bahn eines Satelliten, dann muss man also die säkulare Änderung des RAAN berücksichtigen. Zur Berechnung der Änderung gibt es durch Satellitenbeobachtungen empirisch ermittelte Formeln, die relativ genau sind. Die tägliche Änderung in Grad /Tag ermittelt man mit

Formel 1:

                

Die Konstante J2, ist der sog. " Zonalkoeffizient ". Er drückt das Maß der Beeinflussung der Satellitenbahn durch die Schwerkraftanomalitäten der Erde aus. Er wurde empirisch durch Satellitenbeobachtungen ermittelt und hat einen Wert von 1.08263 *10-3 .

Dabei sind a die Große Halbachse (Formel 8-8.2), b die kleine Halbachse (Formel 8.3), R der Erdradius am Äquator (6378.14 km), MM die Mean Motion und i die Inklination des Keplerdatensatzes. T ist die Anzahl der seit der Epoch time des Keplerdatensatzes verflossenen Tage, einschließlich der Tagesbruchteile.

4.3 Zusammenfassung

Der RAAN ist der Winkel des aufsteigenden Knotens der Bahnebene zum Frühlingspunkt des Himmelsgewölbes. Der aufsteigende Knoten ist der Schnittpunkt der Bahnebene mit der Äquatorebene bei SÜD-NORD Durchgang des Satelliten (aufsteigender Durchgang). Dieser Punkt wird auch als Äquatorcrossing oder EQX bezeichnet. Siehe dazu auch die Abbildungen 4-5. Der Frühlingspunkt (F) - Formelzeichen ^ - ist ein fiktiver, unendlich weit entfernter Fixstern in Verlängerung des Punktes an dem die Sonne auf ihrer Bahn - Ekliptik - zu Frühlingsanfang den Himmelsäquator überschreitet. Der F ist Anfangspunkt für die Zählung der astronomischen Koordinaten. Er ändert sich säkular durch die Präzession der Erdachse. Diese Änderung ist für genaue Berechnungen zu berücksichtigen. Ich werde  bei der Vorstellung der " Sternzeit " dazu auf Einzelheiten noch eingehen. Durch die ungleiche Verteilung der Erdmasse ändert sich der Ra of node pro Tag um einen bestimmten Wert der unbedingt in die Bahnberechnung mit einbezogen werden muss.

5. Die Exzentrizität

Die numerische Exzentrizität - Formelzeichen ex - der Satellitenbahnellipse, beschreibt deren Form. Sie ist das Verhältnis der Kleinen Halbachse zur Großen Halbachse (Siehe auch Abb. 6) und wird als numerischer Wert in den Keplerdatensätzen mitgeliefert.

5.1 Ableitung

Sie ergibt sich rechnerisch sonst aus

Formel 2:

                  

Dabei sind H per die Flughöhe im Perigäum, a die Große - und b die kleine Halbachse. Die Exzentrizität ist ein unabhängiges Bahnelement, d.h. man kann sie aus den anderen Kepler-Elementen nicht berechnen. Es nutzt also nichts, wenn man z.B. aus der Mean Motion (MM) mit den später beschriebenen Formeln die Große Halbachse ( a ) berechnet, da man die kleine Halbachse ( b ) nicht kennt, kann man die " ex" über diesen Weg nicht ermitteln. Außerdem gibt es viele Ellipsen mit gleicher Halbachse, aber erheblich unterschiedlicher Exzentrizität. Für die Bahnberechnung sind wir daher auf die Angabe der " Eccentricity " im Keplerdatensatz angewiesen.

6. Das Argument des Perigäums

Das Argument des Perigäums (Ap) - Formelzeichen w - ist der Winkel vom aufsteigenden Knoten zum Perigäum, in der Bahnebene des Satelliten gemessen (siehe Abb.7). Auch dieser Winkel ändert sich durch die Präzession um einen bestimmten Betrag pro Tag in Abhängigkeit von der Länge der großen Halbachse, Exzentrizität und Inklination.

6.1 Apsidendrehung

Daraus folgt eine allmähliche Verlagerung von Perigäum und Apogäum, auch Apsidendrehung genannt. Nur bei einer bestimmten Inklination beträgt die Drehung = 0. Apogäum und Perigäum bleiben dann auf Dauer unverändert. Bei OSCAR 13 z.B. drehte sich die Bahn mit ca. 0.0678 Grad pro Tag und somit nahm der Winkel um ca. 24 Grad pro Jahr zu.

 

Die Berechnung in Grad /Tag ergibt sich aus:

             

Formel 4:

                

 

Formel 4 ist analog zu Formel 1 aber ohne Vorzeichen und rechnet wieder mit dem bekannten Koeffizienten J2 = 1.08263*10-3.

 

7. Die Mittlere Anomalie

In unserem Datensatz bezeichnet die Mittlere Anomalie - Formelzeichen M - die Stellung des Satelliten auf seiner Bahn zum Zeitpunkt der Epoche. Gemessen wird in der Bahnebene vom Perigäum ausgehend. Null oder 360° bedeuten Perigäum, 180° bedeutet Apogäum.

7.1 Berechnung der M

Die aktuelle M errechnet sich durch Fortschreibung aus der M des Keplerdatensatzes auf einfache Weise

Formel 5:

                

Dabei ist MM die Mean Motion des Keplerdatensatzes, die im nächsten Abschnitt behandelt wird. Da man dabei immer über den Vollkreis kommt, reduziert man den gefundenen Wert auf 360° mit M = frac (M/360)*360. "Frac" ist Turbo-Pascal entlehnt und ermittelt die Nachkommaanteile einer Dezimalzahl.

7.2 AMSAT MA-Einteilung

Da die AMSAT den Orbit eines Satelliten nicht in 360°, sondern in computerfreundliche 256-er-Abschnitte teilt, erfolgt die Umrechnung in die AMSAT-MA-Werte mit

Formel 5.1:

                  

Zum Schluss sei noch die allgemeine Gleichung für die M angeführt

Formel 5.2:

                   

dabei ist t die Zeit nach Perigäum in Minuten, U ist die anomalistische Umlaufzeit in Minuten auf die ich später noch zurückkomme. Umgekehrt ergibt sich die Zeit nach Perigäum bei bekannter M mit

Formel 5.3:

                   

 

8. Mean Motion, Umlaufzeit und Halbachsen

8.1 Die Mean Motion (MM)

Anstelle des klassischen Keplerelements " Große Halbachse ", verwenden NORAD und damit auch die AMSAT, in ihren Keplerdatensätzen die Mean Motion.

Die MM ist die Anzahl der Umläufe des Satelliten an einem Tag. Im Beispiel unseres Keplerdatensatzes, umrundet OSCAR 10 die Erde täglich 2.09717309 mal. Teilt man die Minuten des Tages durch die MM, dann erhält man die Umlaufzeit in Minuten. Sie beträgt für den Keplerdatensatz von OSCAR 10 nach dieser Rechnung 699.4308 Min, unterliegt aber Änderungen.

Formel 6:

                    

8.2 Die Umlaufzeiten

Das Ergebnis der Formel 6 ist die mittlere Umlaufzeit in Minuten, die Zeit also in welcher der Satellit 360 Grad auf seiner Bahn zurücklegt. Das sagt noch nichts darüber aus, welche Zeit vergeht, um von einem Perigäum zum folgenden Perigäum, oder von einem EQX zum nächsten zu gelangen.

Wir rechnen daher noch mit der Umlaufzeit von Perigäum zu Perigäum , auch anomalistische Periode genannt. Diese Umlaufzeit ist je nach Inklination und Halbachse entweder größer oder kleiner als die mittlere, da sich das Perigäum von Orbit zu Orbit um einen bestimmten Betrag verlagert.

Zusätzlich kennen wir noch die Knotenumlaufzeit , d.h. die Umlaufzeit von EQX zu EQX, die sowohl zur mittleren als auch zur anomalistischen U kleine Unterschiede aufweist, weil sich auch der aufsteigende Knoten säkular aber meist gegenläufig zum Perigäum verlagert.

Die Unterschiede in den Umlaufzeiten sind ebenfalls eine Folge der Präzession der Satellitenbahn, die ich in Zusammenhang mit den anderen Kepler-Elementen bereits erläutert habe.

8.3 Formeln zur MM

Bei bekannter Halbachse a, kann man die MM auch berechnen aus :

Formel 7:

                        

Als Fazit lässt sich feststellen, dass die MM kein unabhängiges Bahnelement ist. Sie ist über die Umlaufzeit - nach der Erweiterung des dritten Keplerschen Gesetzes durch NEWTON - abhängig von großer Halbachse sowie von der Gravitations- und Massekonstante nach der Beziehung :

Formel 7.1:

                    

wobei a in km einzusetzen ist. Das ergibt also als

Formel 7.2:

                    

8.4 Die Halbachsen der Bahnellipse

Die Große Halbachse - Formelzeichen a - beschreibt die Größe der Bahnellipse. Sie muss, da sie im Keplerdatensatz der NORAD/AMSAT expressis verbis nicht enthalten ist, aus der Mean Motion berechnet werden. Für die Berechnung der a ergeben sich zahlreiche Variationen, die insgesamt keine großen Unterschiede im Ergebnis aufweisen :

Formel 8:

                     oder

Formel 8.1:

                                    (AMSAT- Formel)

 

oder aus der Gravitäts-/Massenkonstante (GM) der Erde berechnet

Formel 8.2:

                            

Aus der Großen Halbachse ergibt sich die Kleine Halbachse b mit

Formel 8.3:

                

9. Decay rate

Die in den Kepler-Elementsätzen für Satelliten enthaltene "Decay Rate" ist u.a. ein Wert für die Beeinflussung des Satelliten durch die Restatmosphäre (sogenannter Drag) und selbst in Fachkreisen ein Buch mit sieben Siegeln. Die nachfolgenden Ausführungen sollen den Hintergrund dieses Koeffizienten beleuchten und praktische Tipps für die rechnerische Berücksichtigung liefern.

Die Decay rate (DCR ) ist kein eigenständiges Bahnelement wie Inklination, RAAN oder Epoche  sondern eine fiktive Konstante, die ausdrückt, um welchen Betrag sich die Mean Motion des Satelliten aufgrund des Luftwiderstandes der Restatmosphäre (Drag) oder anderer Einflüsse täglich ändert. Dabei überwiegen bei Satelliten bis zu einer Flughöhe von ca. 700 km die Einflüsse der Restatmosphäre, bei höheren Flughöhen repräsentiert die Decay rate überwiegend den Strahlungsdruck der Sonne.

Allgemeine Formel : MM(neu) = MM + 2*Decay-rate*T*T, wobei T wieder die Zeit in Tagen seit der Epoche - und MM die Mean Motion des Keplerdatensatzes sind.

Im 69-stelligen 2LINE-Datensatz ( s.Abb. 8.1) ist in diesem Zusammenhang die Zeile 1 in den Positionen 34-43 und 54-61 interessant, beim AMSAT-Datensatz ( s. Ziffer 1) nur die Zeile 11 "Decay rate". Die Bezeichnung Decay rate gibt es expressis verbis nur im AMSAT-Datensatz, bei NORAD-2LINE heißt der Wert in der Position 34-43 " First Time Derivation of Mean Motion ", er ist allerdings mit der Decay rate identisch. Die NORAD-2LINE-Daten werden selektiv in das AMSAT-Format konvertiert, dabei werden allerdings weitere Daten, die ebenfalls den Komplex "Drag" berühren, nicht berücksichtigt. So enthält 2LINE mindestens noch einen weiteren Drag-Wert ( Pos 54-61), auf den ich noch eingehe.

Die Decay rate ist eine Erfindung in Zusammenhang mit den 2LINE-Keplerdatensätzen der NORAD, sie gilt nur für ein bestimmtes NORAD-Rechenmodell, das für Amateurfunkzwecke zu guter Genauigkeit führt. Ein analoges Modell wird  bei meinem Satellitendienstprogramm verwendet. Für höhere Ansprüche - die weit über das hinausgehen was für Amateurfunkzwecke sinnvoll ist - hat NORAD zwei weitere mathematische Modelle entwickelt. Für diese Modelle wird ein - in den 2LINE-NORAD Keplerdatensätzen ebenfalls enthaltener Drag-Koeffizient - B* (BStar) genannt (Position 54-61) - verwendet. Dieser leitet sich aus einem spezifischen ballistischen Koeffizienten und dem Durchmesser des Satelliten im Verhältnis zur Masse ab. Die Verarbeitung dieses Koeffizienten in Satellitenprogrammen ist komplex und erfolgt nur in den Profi-Modellen ( SGP4, SDP4 sowie SGP8 und SDP8) der NORAD und bei meinem Programm MMTrack.

 

Formel 9.0 :     B* = CD *A/m

 

Einzelheiten dazu können im Spacetrackreport No. 3 der NORAD vom Dezember 1980 nachgelesen werden, darin sind auch FORTRAN-Routinen zur Berechnung enthalten.

Da die für die Berechnung erforderlichen Werte nur im Orignal Twoline-Datensatz enthalten sind, die meisten Amateurfunksatellitenprogramme aber auf der Basis der AMSAT-Datensätze rechnen, kann mit den üblichen Programmen die höhere Genauigkeit bei der Drag-Berechnung, also der B*, somit nicht genutzt werden. Ich werde mich nachfolgend daher auf die im AMSAT-Datensatz enthaltene Decay rate beschränken.

9.1 Generelle Auswirkungen des Drag

Die DCR wirkt sich hauptsächlich aus auf

die Mittlere Anomalie (M),

die Große und Kleine Halbachse (a, b),

den RAAN und das Argument des Perigäums und

die Exzentrizität.

Sie muss für genaue Berechnungen berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für Satelliten mit niedrigen Kreisbahnen (z.B. ISS und die Shuttles), ohne Implizierung des Dragfaktors wird in diesen Fällen die Bahnberechnung bereits nach kurzer Zeit fehlerhaft.

Zur Einberechnung der DCR, sind einige Grundsätze zu beachten :

Die Decay rate ist von allen Angaben im Keplerdatensatz sicherlich die ungenaueste; sie ist nur eine hochgerechnete Konstante verschiedener Einflüsse und man kann nicht ausschließen, dass sie sich schnell ändert. Einflüsse von Sonne und Mond können u.a. bewirken, dass das Vorzeichen der Decay rate von + (normal) nach minus wechselt. Längere Vorhersagen mit einer bestimmten Decay rate sind daher mit Vorsicht zu betrachten, es sei denn, dass ein bestimmter Satellit über einen längeren Zeitraum immer die annähernd gleichen Werte für den Drag im Keplerdatensatz aufweist.

Die rechnerische Berücksichtigung der Decay rate ist kein Ersatz für einen frischen Keplerdatensatz. Der neue Satz führt auf jeden Fall zu genaueren Ergebnissen als ein veralteter mit halbwegs genauer Decay rate.

Grundsätzlich müssen in Satellitenprogrammen die betroffenen Bahnelemente zunächst ohne Berücksichtigung der Decay rate ermittelt- und dann korrigiert werden. Die Ursprungswerte müssen erhalten bleiben. Diese Maßnahme verhindert, dass die Einflüsse mehrfach berücksichtigt werden, oder Bahnelemente rechnerisch beeinflusst werden, die zwar über die Mean Motion - aber nicht durch die Decay rate betroffen sind.

9.2 Zusammenfassung

Die DCR ist die halbe Änderung der MM pro Tag ² und wird wesentlich durch den Abbremsungseffekt der Restatmosphäre hervorgerufen, der auf einen Satelliten allerdings als Beschleunigung wirkt, weil er auf seiner Bahn dadurch der Erde näher kommt. Durch die DCR wird hauptsächlich die Mittlere Anomalie, d.h. der Ort des Satelliten längs der Bahn, beeinflusst und im Nebeneffekt auch die Große und Kleine Halbachse (a, b), die Exzentrizität, das Argument des Perigäums (w ), sowie der RAAN (W). Der Einfluss ist um so größer, je niedriger der Satellit fliegt. Die Änderungen sind durch die Kleinheit der DCR gering, müssen bei genauen Berechnungen jedoch berücksichtigt werden. Bei niedrig fliegenden Satelliten gibt es sonst große Abweichungen. Bei der Berechnung einer Satellitenbahn darf man allerdings keine Wunder an Genauigkeit erwarten, die Decay rate ist ein relativer grober Koeffizient, der überdies nur für ein bestimmtes NORAD-Rechenmodell gilt.

Insgesamt gesehen, ist die regelmäßige Erneuerung der Keplerdaten für die im Satellitenfunk verwendeten Programme zwingend notwendig, denn bei kurzen Zeiträumen zwischen Datum des Keplerdatensatzes und Berechnungszeitpunkt wird der Einfluss der Decay rate zurückgedrängt, die Berechnung wird genauer.

Meine vergleichenden Berechnungen mit den genaueren NORAD-Berechnungsmodellen haben ergeben, dass die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Programme in den ersten 14 Tagen nach der Epoche des Keplerdatensatzes gering sind, dann aber erheblich ansteigen. Es zeigt sich dabei, dass die Decay rate ungenau - und der NORAD-Drag Parameter B* offensichtlich geeigneter ist Berechnungen über längere Zeiträume zu machen.

Dazu sei noch einmal der Hinweis auf die Rubrik "Kepler" in den PR-Mailboxen gegeben, hier werden  ca. wöchentlich einmal die aktuellen Keplerdaten - im AMSAT - und im 2LINE-Format - eingespielt. Die Daten können auch direkt aus dem Internet heruntergeladen werden : http//www.celestrak.com/norad , hier allerdings nur im 2LINE-Format .  

11. Epoch rev (Umlauf Nr)

Die Umlauf-Nr des Keplerdatensatzes ist kein für die Bahnbestimmung notwendiges "Kepler-Element", sondern lediglich die Anzahl der Umläufe des Satelliten um die Erde seit dem Start. Die Umläufe werden ausgehend von der mittleren Umlaufzeit bestimmt. Man berechnet die aktuelle Epoch rev zweckmäßig über die MM mit

 

Formel 9.12: UmlaufNr = Epoch rev + Int (MM*T+1)

 

wobei T wieder die seit der Epoch time verflossene Anzahl Tage ist. "Int" ist der ganzzahlige Anteil des Ausdrucks und sowohl von BASIC als auch von PASCAL her bekannt. In der Regel ist die Epoch rev nur " nice to know ", sie hat keinen Wert für die Bestimmung der Bahnparameter eines Satelliten, sei aber der Vollständigkeit halber mit angegeben. Maßgeblich für die Zählung der Epoch rev nach NORAD-Standard sind die aufsteigenden Knoten und nicht die Perigäumsdurchgänge. Dadurch ergeben sich immer wieder Unterschiede zu AMSAT-Datensätzen, die aber mathematisch keine Bedeutung haben wenn nicht (warum eigentlich) ein Programm mit der Umlaufnummer Rechenoperationen steuert.

Wird hier fortgesetzt !!

Bearbeitungstand dieser Seite : 13.07.10